Spannende Weltpolitik bei CDU-Jahresempfang
KIERSPE (mk) Zugegeben: Die Themen des Gastredners beim Jahresempfang der CDU im Kiersper Ratsaal hatten keinen direkten Bezug zum lokalen Geschehen. Indirekt natürlich schon, weil sie letztlich viele Menschen irgendwie betreffen, und vor allem weil sie spannend sind. Vor allem, wenn ein Insider wie der Bundestagsabgeordnete Jürgen Hardt darüber berichtet. Als Wuppertaler lebt der Politiker nicht weit von Kierspe entfernt, konnte aber als Außenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag interessante Einblicke in das aktuelle politische Weltgeschehen geben.
Bevor der Bundestagsabgeordnete das Wort ergriff, begrüßte zunächst Holger Scheel als Vorsitzender des Kiersper CDU-Stadtverbandes die zahlreichen Besucher, die der Einladung ins Rathaus gefolgt waren. Ob es an der überparteilichen Zusammenarbeit im heimischen Rat, der Geselligkeit des Abends oder am Gastredner lag, ist unklar, aber bei weitem nicht alle Gäste waren erklärte Christdemokraten. So waren auch Vertreter beispielsweise von FDP und UWG dabei und mancher interessierter Bürger.
Wer nun erwartete, Jürgen Hardt würde mit einigen Din-A4-Seiten einen kurzen Überblick über das aktuelle Weltgeschehen geben, und dessen Auswirkungen für Deutschland analysieren, wurde eines Besseren belehrt. Statt eines Überblicks gab es teils tiefe Einblicke, und der Aussenpolitiker referierte lediglich mit einem Notizbuch als Vorlage. Dennoch schaffte er es, seinen Vortrag ausführlich und spannend zu gestalten. Ganz oben auf seiner Agenda standen natürlich Russland, Putin und der Ukraine-Krieg: “Der größte Störenfried ist dort die politische Führung, nicht das Volk”, lautet diesbezüglich seine Einschätzung. Überraschender ist allerdings seine Ansicht, Deutschland habe es versäumt, die Menschen in Russland zu Zeiten von Gorbatschow und Jelzin für die Demokratie zu begeistern. Seine Prognose, welche Folgen ein Sieg Russlands in der Ukraine haben könnte, verursachte manche Sorgenfalte.
Der Bogen zum Iran und zum Nah-Ost-Konflikt war schnell gespannt. Hardt sieht im Land Iran einen technologisch hochgerüsteten Aggressor und Unterstützer des Terrors. In diesem Zusammenhang gab es auch einen der wenigen Seitenhiebe an die Regierungsparteien in Berlin: “Es ist ein Skandal, dass das Iranische Zentrum in Hamburg noch nicht geschlossen wurde. Ich dachte, Olaf Scholz hätte einen engen Bezug zum dortigen Senat”, spielt Hardt darauf an, dass der Bundeskanzler früher erster Bürgermeister der Hansestadt war.
Sehr verhaltenen Optimismus gab es zum Thema “China”. Die dortige Staatsführung beschreibt Hardt als gezwungenermaßen kompromißbereit, aber hinsichtlich eines möglichen Taiwan-Krieges könne allerdings keine Entwarnung gegeben werden (Anmerkung der Redaktion: Taiwan wurde zwischenzeitlich obendrein von einem schlimmen Erdbeben heimgesucht).
Ein düsteres Szenario zeichnete der Bundestagsabgeordnete zur Lage in den USA, insbesondere hinsichtlich der anstehenden Präsidentenwahl. Seine Aussage, “die einzige Chance auf Bidens Wiederwahl lautet Trump” macht deutlich, dass er von beiden Kandidaten keine übermäßig hohe Meinung hat. Schlussendlich widmete sich Hardt in seinem Vortrag auch Europa und Deutschland. Er hofft, dass Europa demnächst wieder eine “Veranstaltung des Wachstums wird” und weist darauf hin, dass Deutschland einmal wirtschaftlicher Spitzenreiter in der EU war, aber aktuell mit einem Realwachstum von 0,1% das Schlusslicht darstelle. Seine Hoffnung beruht auf der anstehenden Wahl des Europaparlamentes im kommenden Juni. Von einem guten Abschneiden der Europäischen Volkspartei, wozu auch die CDU und CSU gehören würden, verspricht sich Hardt eine ausgesprochen wirtschafts- und freiheitsorientierte Politik in der EU. Von den Zuhörern wurde Jürgen Hardt mit einer Menge Applaus belohnt.
Bevor es zum inoffiziellen Teil des Jahresempfangs ging, hatten Holger Scheel und Markus Pempe noch zwei wesentliche Punkte im Abendprogramm. Zunächst wurde Horst Becker geehrt. Der frühere Ortsvorsteher von Rönsahl wurde nun endgültig in den politischen Ruhestand verabschiedet. “Bereits zum dritten Mal”, wie sein Nachfolger Scheel anmerkte, nachdem er zuvor mit Beckers humorvoller Seite “konfrontiert” worden war. Zweifelsohne darf man Horst Becker als Urgestein der heimischen Politik bezeichnen, der vor nunmehr 50 Jahren in die CDU eingetreten ist, und ein Jahr später Ratsmitglied der Stadt Kierspe wurde. Zum Abschied gab es viel Dank und einen schweren Präsentkorb.
Eine weitere Ehrung ging an diesem Abend nach Rönsahl: Den Bürgerpreis der CDU Kierspe erhält im Jahr 2024 der Strandbadverein Rönsahl e.V. für den Erhalt der dortigen Erholungsanlage. Diese wird seit etlichen Jahrzehnten von einer überschaubaren Gruppe Rönsahler Bürger gehegt und gepflegt. Für die ehrenamtliche Arbeit an diesem “Juwel” gab es eine Urkunde und einen Preis, der man nach den Worten Holger Scheels durchaus in “flüssiges Gold umwandeln” könne.