Wölfin GW2856f ein Phantom in den hiesigen Wäldern
KIERSPE / MÄRKISCHER KREIS (mk) Einen richtigen Vornamen hat die Wölfin, die sich seit geraumer Zeit im Märkischen Kreis aufhält, nicht. Ihre etwas sperrige Bezeichnung GW2856f erinnert mehr an einen Star-Wars-Roboter als an ein Wildtier. Das muss für das Tier kein Nachteil sein, denn echte Vornamen bekommen diese vor allem, wenn sie besonders negativ auffallen. Mancher erinnert sich noch an den Problembären Bruno, bei den Wölfen ist vor allem Gloria, ein weibliches Exemplar vom Niederrhein, dass zum Zankapfel wurde zwischen Wolfsgegnern und Artenschützern wurde.
Obgleich auch Wölfin GW2856f durch einen Nutztierriss aufgefallen ist, stellt sich die Lage aktuell noch nicht als zu dramatisch dar. Dennoch machen sich Landwirte und andere Tierzüchter Sorgen: Es ist schwierig, Prognosen für die Zukunft aufzustellen, da Wölfe enorme Strecken zurücklegen können und Populationszahlen mit Vorsicht zu genießen sind. Ohnehin ist jeder einzelne Nutztierriss eine persönliche Katastrophe für Tierzüchter.
Um fundierte Einblicke in die Materie zu geben, aber auch über Fördermöglichkeiten für wirksame Schutzmaßnahmen aufzuklären, hatte die Untere Naturschutzbehörde des Märkischen Kreises zu einem Informationsabend geladen. Als Experten sprachen Dr. Matthias Kaiser vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen (LANUV) und Wolfgang Take von der Landwirtschaftskammer im PZ der Kiersper Gesamtschule. Bürgermeister Olaf Stelse begrüßte die rund 50 Interessierten mit der Bitte um “möglichst sachliche und lösungsorientierte Diskussionen.” Dem Stadtoberhaupt ist offensichtlich bewußt, wie sehr das Thema “Wolf” polarisiert.
Wer nun erwartete, dass Dr. Kaiser als “Leiter Artenschutz” um Verständnis für Situation aus Sicht des Wolfes bat, irrte sich. Bevor diese Frage überhaupt aufkam, gab Dr. Kaiser, der sich neben dem “Wolfsmonitoring” auch noch mit 84 weiteren geschützten Tierarten beschäftigt, auch einen Einblick in die wissenschaftliche Arbeit um den “Rückkehrer”. In seinem durchaus spannenden und unterhaltsamen Vortrag erläuterte er den Zuhörern, mit welcher Akribie Wissenschaftler die Verbreitung des Wolfes in Deutschland verfolgen und erforschen. Nach Ansicht Dr. Kaisers hat sich der Wolfsbestand mittlerweile so gut in Deutschland entwickelt, dass über eine Lockerung des Artenschutzes durchaus gesprochen werden könne. Dabei sei die Anzahl der Tiere immer noch zu gering, um einen ökologischen Nutzen daraus zu ziehen: Dem Wolf wird nachgesagt, bestimmte Waldtiere so zu verjagen, dass diese weniger Schäden an Baumbeständen verursachen würden. Gegenüber dem Menschen ist der Wolf scheu: Angriffe sind extrem selten, wenn die Tiere nicht, wie in der Türkei geschehen, an Tollwut erkranken. Menschliche Strukturen hingegen schrecken Wölfe immer weniger ab.
Das macht besonders Landwirte, Tier- und Viehzüchtern Sorgen, doch gegen die Angriffe von Wölfen beispielsweise auf Schafe oder Gehegewild gibt es wirksame Schutzmaßnahmen. Dazu wurde vor rund einem halben Jahr vom Landesumweltministerium die “Förderkulisse Märkisches Sauerland” geschaffen. Diese bietet wirtschaftliche Unterstützung für Tierzüchter, die beispielsweise ihre Herde mit geeigneten Zäunen absichern wollen. Über die Fördermöglichkeiten informierte Wolfgang Take als Herdenschutzberater der Landwirtschaftskammer. Der Anteil potentiell Betroffener im Publikum war groß, nicht wenige haben mit ihren Tieren allerdings derzeit keine Chance auf eine Förderung: Rinder und Pferde gelten offiziell noch nicht als gefährdet.
Von einer romantischen Betrachtung der Wolfs-Rückkehr in heimische Gefilde war bei dem Informationsabend wenig zu spüren. Naturschützer, die den Wolf als wichtiges Tier im Ökosystem ansehen, meldeten sich nicht zu Wort. Wohl aber Kritiker, die lieber auf den Wolf verzichten würden, anstatt mit großem Aufwand ihre Herden einzuzäunen. Eine seriöse Einschätzung, mit wie vielen Übergriffen in der Zukunft zu rechnen sein muss, kann nicht gegeben werden. Das scheitert schon an der Sichtbarkeit: “Der Wolf kann in der Landschaft verschwinden”, machte Dr. Kaiser allen Zuhörern klar, die mit einer konkreten Begegnung rechnen. Auch für die Wissenschafter liegt hier ein Kernproblem im Wolfsmonitoring: Über DNA-Proben konnte nachgewiesen werden, dass die Eltern von Wölfin GW2856f aus der Lüneburger Heide stammen. Doch niemand kann sicher sagen, wieviele Tiere überhaupt nicht in Erscheinung treten. Sicher sind sich die Experten allerdings, dass sich der Wolf aktuell nicht mehr so stark fortpflanzt und ausbreitet, wie in früheren Jahren.
Weitere Informationen:
https://www.wolf.nrw/wolf/de/management/frderkulissemrkischessauerland
https://www.landwirtschaftskammer.de/foerderung/laendlicherraum/wolf/index.htm